Dienstag, 9. April 2019

WW400 2019

Teamwork auch an den Anstiegen.


WW könnte auch für „Welch Wahnsinn“ stehen, steht aber für WesterWald (-Umrundung) mit ca. 400 Kilometern. Ausgedacht hat sich diese Abscheulichkeit für die Beine Sven Hielscher bei seinen Trainingsrunden für die 24 Stunden-Rennen, die er meist solo bestreitet. 

Der Organisator

Und da die 24-Stunden-Solo-Familie bzw. die Langstreckenspezialisten sich untereinander meist sehr gut kennen und unterstützen verwundert es auch nicht, dass die weiteren Teilnehmer Gigantomaten der Langstrecke sind. Ob 24-Stunden-Helden wie Alois Greven, Hartmut Ehrhardt und Frank Tattje oder Desert-Dash Bezwinger Marcus Wilden und Mr. „ich bringe jeden Wadenstrumpf zum Platzen“ Marco Planer. Hier trifft sich die Erfahrung in Sachen Langstrecke und eben diesmal die Newbies Moni und ich.

Streckenprofil anstatt Höhenprofil.

Wir haben zwar schon 300er mit dem Rennrad und vielen Pausen hinter uns, aber mit dem MTB noch nie wirklich auch nur annährend die 200er Marke geknackt. Von daher konnten wir es uns eigentlich nicht vorstellen, aber irgendwann muss man sich ja mal solchen Herausforderungen stellen. Doch alleine der Gedanke daran, wenn der Radcomputer mal 200 Kilometer anzeigt und man sich dann damit motivieren muss, immerhin schon die Hälfte geschafft zu haben. Doch von vorne.

24er können wir, aber eben immer Vollgas im Wechsel und nicht konstant 24 Stunden schnell.

Moni und ich fahren bereits am Freitag auf einen Campingplatz bei Lohmar, der nur 8 Kilometer vom Startort des WW400 entfernt ist. Hier möchten wir uns entspannen und ausschlafen und somit ausgeruht den kommenden Aufgaben widmen. Doch wir hätten uns vorher mal genau die Lage des Platzes anschauen sollen. Direkt neben der A3 und unter der Ausflugschneise des Flugplatzes Köln-Bonn, so hatten wir in ruhigen Momenten nur die A3-Geräuschkulisse und in den anderen eben den Fluglärm. Und nur damit wir uns auch wirklich nicht ausschlafen können, gehen um ca. 2:30 Uhr die Feuerwehrsirenen los.


So „ausgeschlafen“ machen wir uns am nächsten Tag auf zum Treffpunkt. Hier wird nicht lang geschnackt, hier wird schnell ein Vorher-Foto gemacht und sich in den Sattel geschwungen. Ehrlich gesagt habe ich mit einem gemütlichen Anfangstempo gerechnet, aber nichts da, die Jungs ballern richtig los in den Wald und auf die ersten Trails und zackbumm sind wir am Flüsschen Sieg. 

Alois, Frank E.,Monika, Frank T., Marco, Markus, Sven, Hartmut



Der Sieg folgen wir nun flussaufwärts und sammeln schnell erste Höhenmeter. Zu Monis und meinem Entsetzen gibt es keine Pausen, es wird einfach in die Pedale getreten. Einzig bei roten Ampeln oder geschlossenen Bahnübergängen erlaubt uns Sven mal einen Griff in die Futtertaschen. So freue ich mich umso mehr als wir endlich den ersten Verpflegungspunkt bei Kilometer 95 erreichen, einen Aldi-Markt in Betzdorf.




Der Gegenwind bis hierhin nicht ohne und es ist erstaunlich wie lange Frank T., Alois und Sven vorne im Wind fahren können bei dem Tempo. Ich versuche mich hin und wieder auch mal vorne im Wind, aber mehr als 5 Kilometer am Stück sind nicht drin. Keine Ahnung wie sie es machen, aber die Jungs sind eben doch Langstrecken-Profis mit entsprechendem „Schmackes in den Beinen“.




Solche Abschnitte wurden schnellstens in Kolonne bewältigt.

Was mich aber richtig quält ist nicht etwa der Wind, die Anstiege oder das Tempo. Nein, es ist die Hosen Aufschrift vom PST-Racing-Team. Denn direkt hinten am Bobbes sieht man bei den Jungs ein Bild mit Pasta und die Aufschrift „Pasta Time“. Da versucht man wirklich die Gedanken vom Essen wegzubringen und jedes Mal, wenn man dem Vordermann mal auf den Bobbes schaut, läuft einem das Wasser im Mund zusammen.

PASTA TIME...





Nach der Stärkung am Aldi-Markt fahren wir dem höchsten Punkt der Tour entgegen. Dazu verlassen wir die Sieg, fahren über den Berg, erreichen bei Kilometer 125 die Wasserscheide und düsen runter an die Dill. Nächstes Ziel bei Kilometer 175 ein italienisches Restaurant mit einem Besitzer wie man sich einen Italienischen Gastgeber wünscht. Hier schlagen wir uns die Bäuche voll und erfüllen das gesamte Restaurant mit dem typischen Schweiß-Duft, den 8 Radfahrer nach 175 Kilometern eben so erzeugen.






Am gegenüberliegenden Aldi werden nochmal die Vorräte in den Taschen und Trinkflaschen aufgefüllt bevor es wieder in den Sattel geht. Irgendwann und irgendwo fliest die Dill im Dunklen der Nacht in die Lahn und wir folgen nun dieser. Das nächste Ziel ist das „Deutsche Eck“ in Koblenz bei Kilometer 300. Aber bis dahin sind es ja noch 125 km. Zu meinem Entsetzen stelle ich irgendwann so gegen 01:30 Uhr bei einem Griff in meine Fronttasche fest, dass irgendjemand alle 8 Scheiben Brot mit Kalbsleberwurst gestohlen hat. Ich frage mich, wo der Senffleck auf meinem Trikot herkommt…

Halbzeit



Batteriewechsel und weiter.


Zum Glück melden sich nun aber auch die anderen mit dem Wunsch nach einem Cafe. Leider ist es „überraschend“ schwer irgendwo in der Pampa an einem Sonntagmorgen um 2 Uhr einen Kaffee zu bekommen. Wirklich Zeit dem Kaffee hinterher zu trauern gibt es aber nicht. Immer wieder fahren wir durch schöne Altstädte oder kommen an schön beleuchteten Burgen vorbei. Würden Moni und ich sonst bei solchen schönen Anblicken stehen bleiben, hat man hier gerade noch die Zeit schnell das Handy zu ziehen und ein Bildchen zu machen, dann sind die Lichtkegel der Mitfahrer aber schnell einige Meter entfernt.





Jedenfalls wird es ca. 04:00 Uhr bis wir endlich in Koblenz am McCafe unsere Kaffeegelüste befriedigen können.

Kaffee!

Am „deutschen Eck“ machen wir noch einige Gruppenbilder und schon geht es weiter. Das Tempo wird kurzfristig wieder etwas angezogen, allerdings merkt man an so manchen kleinen Fahrfehlern in der Gruppe, die Müdigkeit hält Einzug.




So kommt uns eine Tankstelle in Andernach fast wie eine Fata Morgana vor. Das etwas entsetzt Gesicht des Kassierers, als wir zu acht den Laden stürmen, bestätigt uns aber, hier gibt es realen Kaffee und Süßzeugs. Die Pause erkaufen wir uns teuer, denn Sven macht nun die Ansage, die letzten 75 Kilometer werden durchgefahren.




Also mal wieder ab in den Sattel und treten, treten, treten. Unsere Tretwerke werden durch das Schwinden der Nacht, dem morgendlichen Vogelgezwitscher und den schönen Sonnenaufgang zusätzlich befeuert.





Warme Klamotten aus.

In den Auen hängt allerdings teilweise auch noch der Morgennebel und ein Einfahren in diesen ist immer wieder eine Extraabkühlung. Mein Garmin hat übrigens in der Nacht als Tiefpunkt 1 Grad angezeigt.


Man sieht die kalte Nebelwand.

Irgendwann erreichen wir wieder die Sieg und mein Garmin zeigt an, noch 10, noch 9, noch 8 Kilometer bis zum Ziel. Moni und ich feiern kurz das Erreichen der 400 Kilometermarke als ich vorne ein Gespräch aufschnappe. Sven und Marco reden doch wirklich darüber noch einen Zusatzberg zu erklimmen und noch einige Trails zu surfen und irgendwie stimmen wir doch tatsächlich alle zu. Nichtsdestotrotz erkennt man doch bei allen ein Grinsen im Gesicht als unser Ziel in Sichtweite kommt.



Wir fallen uns in die Arme und gratulieren uns gegenseitig zu dieser schönen Ausfahrt. Machen noch einige Nachher-Fotos und trinken 1-2 leckere alkfreie Weizenradler und killen einige Tüten Haribo.





Danach geht es für einige von uns wieder in den Sattel. Frank T. fährt noch weiter bis Köln, Alois radelt in die Heimat und kommt auf 432 Kilometer und Moni und ich müssen nochmal über den Berg zum Campingplatz. So wurden es für uns 418 Kilometer und ca. 2.660 Höhenmeter.

Ich glaube ich kenne da eine Abkürzung!

Fazit Frank: 
Es war eine interessante Erfahrung zu erleben wie der Körper und der Geist auf eine solchen Ausfahrt reagieren. Und ich glaube es hätte keine bessere Gruppe geben können für den ersten 400er. Sobald im Kopf mal Zweifel aufkamen, war die Selbstverständlichkeit des Fahrens der Anderen eine echte moralische Unterstützung, die ich nicht genau erklären bzw. fassen kann. Jetzt mit einigen Stunden Abstand zur Tour kann ich schon sagen, gerne wieder.

Abkühlung nach der Tour

Fazit Monika:
Es war mir vorher nicht ganz klar, wie man überhaupt auf so eine Idee kommen kann, 400 km in einer Tour zu fahren. Aber man soll ja nicht darüber urteilen, was man selber noch nicht ausprobiert hat. Also sagte ich, als Frank mich fragte, ob wir das mit machen wollen: „Na klar“.

Im Vorfeld war ich schon nervös gewesen und die „mega-ruhige“ Nacht vorher, hat das auch nicht besser gemacht. Am Treffpunkt angekommen, haben wir uns kurz untereinander vorgestellt und dann ging es auch schon los. Die Gruppe harmonierte von Anfang an sehr gut. Ich fühlte mich schnell wohl und die Nervosität war weg. Es gab niemanden, der vorweg bollerte und keinen, der hinterher hechelte. Jeder achtete auf jeden und das Tempo war recht konstant. An den Anstiegen (meist kleine fiese steile), wurde sofort Geschwindigkeit rausgenommen und sachte hochgekurbelt. Das sind Erfahrungswerte, die Langstreckenfahrer halt haben. Niemals überziehen, das rächt sich sonst auf so einer Distanz. Mal unterhielten wir uns, mal fuhr man schweigend vor sich her. Es lief sehr gut und das änderte sich auf den 400 km nicht ein einziges Mal. An dieser Stelle noch einmal ein dickes Danke an euch für Organisation, „Im-Wind-fahren“, Mitmachen und die tollen gemeinsamen 22,5 Stunden. Jede einzelne war schön :-) Es hat mir sehr viel Spaß gemacht.


Der Moment:
Er war an den Trikots, an den Rädern oder eben bei einigen auf seine eigene Art dabei. Als Frank. T. aber plötzlich an einer Stelle links abbiegt, an der keiner wirklich damit gerechnet hat und auf eine kleine unscheinbare Pinke-Schleife zeigt bin ich froh, eine dicke verspiegelte Sonnenbrille aufzuhaben. Trotzdem nutze ich den Vorwand Bilder zu machen, um mich mal kurz von der Gruppe zu entfernen und mir einige kleine Kullertränchen wegzuwischen. So du Sauhund, jetzt haben wir doch noch irgendwie einen 400er zusammen gerockt.

Mehr braucht es manchmal nicht um einen wunderbaren Menschen zu gedenken.

GPS-Daten - KLICK