Aller Anfang ist schwer, dank "Christian" und seinen 190 km/h
Zwischenstop in Hamburg
„Was ist überhaupt der Zipfelpass?“ fragen sich viele. Ich könnte
nun sagen: „Es ist der Wunsch einiger
Randgemeinden durch den Zipfelpass etwas Kultur durch Gäste an den Rand
Deutschlands zu locken“. Doch das haben die Zipfelgemeinden List auf Sylt,
Görlitz, Selfkant und Oberstdorf beim besten Willen nicht nötig. Wir (Moni und
ich) haben uns vorgenommen die Zipfelgemeinden bis 2015 zumindest auf einem
Weg, also Anreise von Peine oder Rückfahrt nach Peine, mit dem Velo zu
erledigen. Als erstes sollte nun der Nordzipfel erobert werden.
Speicherstadt Hamburg
Die Planung dafür war zwar nicht
ruck zuck erledigt, doch wir hatten schon schwerere Fälle. Wir haben uns dazu
entschlossen samstags mit dem Zug nach Flensburg anzureisen und mit dem
Velo rüber nach Sylt zu radeln. Dann oben in List übernachten, mit der Fähre
von Hörnum rüber ans Festland und entlang des Nordseeradweges an die Elbe und
über Zeven an die Aller bis nach Peine zurück. Die Wetterapp sagte zwar
Gegenwind vorher, doch was sind 40 km/h mit Nieselregen, pahh das schreckt uns
noch lange nicht ab! Bahntickets wurden von Moni gebucht und ich habe mit
gpsies schnell eine Route fürs Garmin geklickert. Dank IBC-Forum haben wir
allerdings erfahren, dass wir gar nicht mit den Velos nach Sylt radeln können,
da der Damm nur mit dem Zug befahren werden darf.
Wartezeit in Hamburg ausgenutzt
Tag 1 Samstag den 26.10.2013
Schöner Radweg Flensburg-Niebüll
So sind wir am ersten Tag von
Flensburg über wunderschöne Radwege bis Niebüll geradelt und von dort mit dem
Zug rüber nach Westerland. In Westerland angekommen, ging es gleich zum
Pavillion am Bahnhof um dort 1. ein Fährticket von Hörnum nach Nordstrand zu
kaufen und 2. den Zipfelpassstempel zu holen. Ersteres war auch kein Thema, für
12:00 Uhr am Folgetag haben wir uns 2 Plätze auf der letzten Fähre des Jahres
nach Nordstrand sicher können.
Auf dem Weg nach Niebüll
Der Stempel hingegen wird nur im Kulturhaus oder
im Pavillion von List auf Papier gepresst. Schnell gegoogelt, Öffnungszeiten
des Pavillions in List gescheckt und beschlossen dass wir Westerland aus
zeitlichen Gründen nicht besichtigen können. Zwischen Theorie und Praxis lag
allerdings ein Schaufenster einer Bäckerei, und hier sah ich einen
Mohn-Apfel-Marzipankuchen liegen. Also Bremsmanöver und Moni von der
Dringlichkeit einer Tasse Kaffee mit Kuchen überzeugt.
Michels Backhus, meine Empfehlung für Sylt
Wie so oft kann ich bei
dem Verzehr einer Köstlichkeit die Umwelt vergessen und so tickte die Uhr bei
jedem Ahhh und Ohhhh und Mhmmm unweigerlich weiter bis sie 17:00 Uhr schlug.
Wir hatten auch "schönes" Wetter
Uff, der Pavillion hat nur bis 18:00 Uhr geöffnet und zwischen dem Pavillion und
unserem derzeitigen „Süßgebäckhimmel“ lagen noch 17 nasse windige Kilometer.
Schnell bezahlt und ab auf unsere glückshormonproduzierenden Streitrösser durch
die Sylter Dünenwelt zum Pavillion in List. Punkt 17:46 Uhr kommen wir
abgekämpft aber glücklich es noch geschafft zu haben auf dem Hafengelände an.
Am Pavillion hängen zu unserer Überraschung neue Öffnungszeiten 10:00 Uhr –
16:00 Uhr, na toll!
Monis blick sagt alles zu den Öffnungszeiten!
Bei den Öffnungszeiten ist uns auch sofort klar, wir
bekommen auch am nächsten Tag keine Stempel da wir bis 11:45 Uhr am genau
anderen Ende der Insel, gegen den Wind 43 Kilometer fahrend, an der Fähre
einchecken müssen.
Die nördlichste Jugendherberge Deutschlands
Naja, Beweisbild gemacht und ab
Richtung Jugendherberge. Diese liegt mehr als idyllisch in den Dünen direkt am
Sylter Ellenbogen. Nach einem leckeren Abendessen wurde noch eine Runde Sudoku
gespielt, die Bikes und das Gepäck für einen schnellen Start am nächsten Tag
vorbereitet und schon schliefen wir mit Wind und Meeresrauschen ein.
Schöne Landschaften aber auch "schöner" Wind
Blick von der Jugendherberge
Tag 2 Sonntag den 27.10.2013
Irgendwer klopft ans Fenster, aber
ist unser Zimmer nicht im 1. OG? Ich schau zum Fenster und sehe nur
Regentropfen, die wie kleine Geschosse am Glas zerbarsten. Um uns zu bestätigen,
dass dieses Mistwetter da draußen nicht real ist, schau ich in die Wetterapp
und siehe da, es nieselt nur mit stürmischen Böen von bis 70 km/h! Schön ist
die digitale Welt, wenn man daran glaubt!
Blick Nord am Ellenbogen
Also auf zum Frühstück und den
Altersschnitt in dieser Jugendherberge um ca. 20 Jahre absenken. Gespannt
lauschen die Herrschaften, dass wir bei diesem Wetter nun von List einmal längs
über die Insel nach Hörnum radeln wollen und unter gedachten Applaus verlassen
wir mit stolz geschwellter Brust den Frühstücksraum. Zeitlich sind wir mehr als
gut dabei und haben noch 3,5 Stunden Zeit für die 43 Kilometer bis zur Abfahrt
der Fähre.
Die Wanderdünen im Hintergrund
Also raus auf die Bikes ein Stück entlang der Ellenbogenbucht und
abbiegen Richtung Süden und Boahaaaaa. Hier zwischen den Wanderdünen kommt uns
zum ersten Mal der Windfrontal von
vorne entgegen. Zum Glück müssen wir nur ein Stück direkt gegen den Wind
kämpfen, denn sobald es auf den Sylterradweg geht fährt man in vielen Teilen windgeschützt
nach Westerland weiter. Trotzdem brauchen wir über eine Stunde von List nach
Westerland und beschließen hier einen Kaffeestopp einzulegen. Im Cafe liegen
Pelze statt Decken zum Beine Wärmen aus und entsprechend werden wir beäugelt
als wir uns mit unseren Lycrahosen zwischen die Möchtegernhighsociety Sylts
niederlassen. Die Uhr tickt und wir haben nach dem Bezahlen (scheinbar haben
wir mit dem Kaffee auch gleich Anteile an Sylt gekauft) noch knappe 2 Stunden
Zeit. Mit diesem Zeitpolster beschließen wir einen Schlenker zum
Rantumbecken zu machen. Doch kurz nach Westerland ist es vorbei mit Windschutz
und gemütlichen gegen den Wind pedalieren.
Noch trocken aber richtig Gegenwind!
Ich fahre mittlerweile in einem
Berggang und rufe zu Moni, dass wir unser Vorhaben über den Deich des
Rantumbeckens zu fahren wohl besser sein lassen. Ohne Wiederworte stimmt Moni
zu und wir fahren zurück zu dem regulären Radweg nach Hörnum. Aber ab jetzt
heißt es kämpfen, der Wind knallt mit voller Wucht von vorne auf uns ein.
Kein Regen verdirbt uns die Stimmung
Der
einsetzende Regen schmerzt auf der Haut als ob einer mit Nadeln auf einem
rumpickst. Ich trete mit aller Macht in die Pedalen, schaue auf meinen Tacho
undlese unglaubliche 7,6 km/h!!! Wir
versuchen uns mit Windschattenfahren, doch jedes Steinchen, jedes Sandkorn, das
vom Hinterrad des Vordermannes aufgewirbelt wird, wird vom Wind zu einem wahren
Geschoss umfunktioniert welches scheinbar mit lasergesteuerten Zieleinrichtungen
auch jedes Mal die Augen trifft. Für die flachen 18 Kilometer von Westerland
nach Hörnum brauchen wir fast 80 Minuten und schaffen es gerade rechtzeitig
nass und durchgefroren zum Hafen.
Leider legt diesmal keine Fähre ab.
Hier steht ein Pavillion der Reederei und
Moni rennt schnell rein um zu fragen welches Schiff das richtige ist. Ich
beobachte das Ganze von draußen und sehe wie Moni ihre gesamte Körperspannung
verliert, oje das muss eine schlechte Nachricht sein. Moni kommt raus und sagt:
„ Wegen Sturm fährt keine Fähre mehr!“ Immerhin können wir unser Ticket
zurückgeben und verziehen uns ins „Südkap“ zum Aufwärmen.
Karte im Südkap
Sehr schnell ist der
Entschluss gefasst also wieder zurück nach List zu fahren und nun doch den
Zipfelpassstempel zu holen und am nächsten Tag mit der Bahn die
„verlorenen“ Kilometer aufzuholen. Mit diesem Lösungsweg und dem Wissen, dass
es nun 40 Kilometer mit Rückenwind zurück geht, genießen wir gut gelaunt
unseren seelenwärmenden Lumumba mit Kartoffelsuppe!
Lumumba und Kartoffelsuppe, da lachen Pummel und Moni um die Wette...
...und auch ich finde meine gute Laune wieder!
Kaum auf den Bikes sagt Moni,
dann können wir doch jetzt noch zum Rantumbecken fahren. Gesagt getan und es
hört sogar auf zu regnen. Wir rollen mit dem Rückenwind ohne in die Pedale zu
treten mit 20,4 km/h über den Deich des Beckens. Kurz angehalten um etwas über
diesen „Flugplatz“ hier zu lernen und zu verstehen warum man am Meer ein
Pumpwerk braucht: Um Salzwasser ins Salzwasser zu pumpen.
Erst Möwen...
...dann Schafe...
...dann von unten...
...von oben...
...und mit Pummel vom Strand!
In Westerland
dann ein Stopp bei „unserem“ Bäcker und für die weitere Rückfahrt noch super
leckere selbstgemachte Dominosteine mitnehmen. Und trotz des Geschichtsausflugs
und dem kulinarischen Zuckerstopp sind wir in weniger als 2 Stunden wieder in
List und haben unsere ersten Zipfelpassstempel.
In der Jugendherberge bekommen
wir zwar wieder unser Zimmer, doch da wir vergessen haben uns mittags
anzumelden gibt es leider kein Abendessen für uns. So kommt es, dass wir mit
unseren Rädern erneut raus in die stürmische Nacht aufbrechen und gut
angefeuchtet in der Weststrandhalle eintreffen.
Auf zur Weststrandhalle
Das gesamte Restaurant
verstummt für einige Sekunden als wir mit unseren Helmen samt Helmbeleuchtung
den Genusstempel betreten. Doch schnell hat man sich auch hier an unsere
Lycrahosen gewöhnt und wir lassen es uns schmecken und dabei den stürmischen
Tag Revue passieren. Ich hoffe nur das alle die unter uns entstandenen kleinen Seen auch richtig gedeutet haben! Vom Nachbartisch vernehme ich noch Wortfetzen von wegen,
„der richtige Sturm soll erst morgen kommen!“ doch was stört mich das Geschwätz
der Einheimischen wenn ich eine Wetterapp habe die weiterhin nur frische Brisen
mit leichten Nieselregen vorhersagt. Als der Kellner mit der Rechnung kam war
uns klar, wir haben eben einen weiteren Teil von Sylt erstanden.(das Essen war jeden Cent wert!)
So gehen nicht viele in die Weststrandhalle ;-)
Tag 3 Montag den 28.10.2013
Augen auf und raus schauen, doch
was wir da sehen sieht nicht nach Sturm aus. Leichter Nieselregen, bissel Wind
und gemütlich in der Dünenlandschaft grasende Schafe. Wir gehen zum Frühstück
und müssen erst mal allen erklären warum wir wieder da sind und was wir nun
vorhaben.
Blick aus dem Zimmerfenster
Nun müssen wir allerdings erneut unseren Plan verändern, denn auch die
Deutsche Bahn hat ihren Bahnverkehr von und zur Insel wegen des aufkommenden
Sturms oder evtl. auch schon vorhandenen Schäden entlang der Strecke
eingestellt. Die einzige Möglichkeit also nun noch von der Insel zu kommen ist
die Fähre nach Dänemark.
Wartezeit auf die Fähre verbringt Moni hier!
Schnell angerufen und erfahren, dass auch hier nur
noch eine Fähre um 11:25 Uhr fährt und danach der Fährverkehr wegen des
aufkommenden Sturmes bis auf weiteres eingestellt wird. So starker Sturm, blick auf die Wetterapp, nein auch das Regenradar zeigt nichts schlimmes. So steht fest wir
fahren nach Dänemark. Hauptsache Festland und die Option der Bahnheimreise
offen halten.
Die Fähre nach Römö
Diesmal ziehen wir sogar unsere
Regensachen an, ich kann mich nicht erinnern wann ich die mal anhatte auf einer
Tour. Als wir zur Fährstation rollen kommt sogar die Sonne etwas durch.
Vor meinem geistigen Auge hatte ich eine Art „Flussfähre“ erwartet. Doch hier
handelt es sich um ein richtiges Schiff mit großem Bordrestaurant, und was macht
man in einem dänischen Bordrestaurant? Genau, einen schönen leckeren natürlich roten Hot Dog
futtern.
Hot Dog...
...in drei Bissen
Ich bin der König von Sylt!
Mal gut festhalten, nicht das mir Moni noch davon fliegt.
Danach Spaziergang übers Deck und eine Karte entdeckt, ups wir fahren
nicht ans dänische Festland sondern nach Römö eine Insel mit einem 12 Kilometer
langen Zugangsdamm durch die Nordsee. Nach nur wenigen Metern auf der Insel
wird uns so warm in den Regenklamotten dass wir anhalten und uns unseren warmen
Klamotten entledigen.
Blauer Himmel und Sonne
Dank Rückenwind kommen wir auch ruck zuck am Damm an und
erst hier wo wir quer zur Windrichtung auf den Damm auffahren, merken wir wie
stark der Wind geworden ist. Noch ist es machbar und so fahren wir weiter
Richtung Festland. Von Sekunde zu Sekunde wird der Wind aber stärker. Die
aufpeitschende Gicht fliegt uns wie ein Stecknadeltorpedo ins Gesicht.
Noch ist es für Nordfriesische Verhältnisse Windstill!
An eine
Unterhaltung ist nicht mehr zu denken, wir müssen uns anschreien um überhaupt
etwas zu verstehen. Moni fährt nun in Schräglage vor mir und sobald die
Leitplanken für eine Zufahrt zum Damm unterbrochen werden, schlägt einem der
Wind mit der Kraft eines Hammerschlages gegen das Vorderrad. Und so passiert es
auch dass Moni an einer solchen Stelle wie von Geisterhand auf einmal quer über
die 2 Fahrspuren vom Wind geschoben/gedrückt wird. Zum Glück kam in diesem Moment kein
Auto vorbei. Hinter einem kleinen Schild das etwas Windschutz bietet schreien
wir uns an. Option 1, auf der windabgewandten Seite des Deiches flach hinlegen
und den Sturm „Aussitzen“ oder Option 2, irgendwie mit aller Macht weiter über
den Damm bis ans Festland und dort Schutz suchen.
Gegen den Wind!
Während wir uns also in
diesem abartigen Wind anschreien bin ich über meine eigenen Gedankengänge
überrascht. „Da stehen wir also zu zweit auf einem Damm hinter einem kleinen
Infoschild etwas Schutz erhaschend mitten in einem Sturm. Die Gicht und der
einsetzende Regen knallen uns mit einer unbeschreiblichen härte ins Gesicht.
Würden wir uns nicht an der Leitplanke festhalten, würden wir wohl wegrutschen
und trotzdem kann ich in Monis Gesicht sowas wie Freude, Erregtheit oder
Kampfgeistablesen. Und irgendwie kommt
in mir, in diesem Moment stolz auf mit dieser Frau hier zu stehen und dieses
kleine Abenteuer zu erleben und trotz dieser derzeitigen unglücklichen Lage bin
ich glücklich!“
My Women
Ein vorbeirauschender PKW holt
mich aber leider aus meiner kleinen kuscheligen warmen Gedankenwelt wieder
raus. Ich schaue auf das „Schutzschild“ und sehe darauf eine Landkarte des Damms.
Dieser macht gemäß Karte bald einen leichten knick nach Norden und würde uns
somit etwas Rückenwind statt nur brachialen Seitenwind geben. Ich schreie Moni
an: „WEITER!“ und sie zögert keine Sekunde, steigt auf und ist in der nächsten
Sekunde 10 Meter links von mir auf der anderen Straßenseite ohne auch nur einen Meter vorwärts zu fahren, kämpft sich zurück
auf die rechte Spur und ackert gegen den Wind weiter Richtung Festland. Wir sehen vorne den „Knick“ und
kaum dass wir an dieser Stelle sind, beschleunigt das Fahrrad von alleine. Wir
kommen an einer Anzeige vorbei auf der BFT 10 angezeigt wird, also 90-100 km/h
Windgeschwindigkeit. So geht es nun aufs Festland und das erste Gebäude das wir
erblicken ist ein Imbiss an einem Kreisel, rein, verschnaufen und was Warmes
trinken.
Das einzige Bild der ersten Sturmhälfte
Als ob der liebe Wettergott nur
darauf gewartet hat dass wir in Sicherheit sind, entfacht er nun die nächste
Stufe seiner vernichtenden Arbeit. Der Wind bläst ohne auch nur ansatzweise
Luft zu holen mit einer Heftigkeit, die vor unseren Augen Wahlplakate zu
Flugzeugen umwandelt, Straßenlaterne wie Bäume im Wind spielen lässt und oh
shit unsere Fahrräder über den Boden fliegen lässt! Da wir nun eh hier
„gefangen“ sind und regelmäßig irgendwelche dänischen Politiker dank fliegender
Wahlplakate an der Scheibe kleben beschließen wir, uns kulinarisch die Zeit zu
vertreiben. Einige Cheeseburger späterund nach dem Studium der Landkarte stand unser neues Ziel fest. Von hier
weiter Richtung Süden. In Richtung Deutschland wäre bei dem Gegenwind unmöglich,
auch wenn es nur 4 Kilometer bis zur nächsten Ortschaft sind. So beschließen
wir sobald der Wind nachlässt erst knappe 2 Kilometer quer zum Wind weiter
Richtung Landesinneren zu fahren und von dort press mit Rückenwind die 19
Kilometer über kleine Landstraßen nach Ribe im Norden zu versuchen.
Und weiter geht die Tour
Und wirklich, der Himmel „reist“
urplötzlich auf, die Sonne kommt sogar durch und der Wind lässt merklich nach,
also raus und das letzte Stück für heute schnell abstrampeln. Wir kommen auch
gut voran und biegen auf der Straße Richtung Norden ab und lassen uns vom Wind
treiben. Das Fatale daran mit dem Wind zu fahren ist die Tatsache, dass alle
Warnsignale ausgeschaltet werden. Man hört kein böses Windheulen mehr, man muss
nicht gegen den Wind ankämpfen und irgendwie freut man sich das man mit knapp
28 km/h durch die Landschaft rollt ohne treten zu müssen. So legen wir auch
ruck zuck etliche Kilometer zurück und fühlen uns eigentlich recht sicher.
An
einer Stelle bei der wir quer zum Wind fahren müssen machen wir noch ein
kleines Video und ab hier hörte der Spaß auf. Der Wind wurde schlagartig wieder
heftiger, der Himmel verdunkelte sich, Bäume biegen sich bis auf den Boden
runter und zerbarsten oder fallen gleich ganz mit rausgerissenen Wurzelstock
um. Mein Fahrrad verhält sich wie ein kleiner Drachen und flattert im Wind. Links von mir sehe ich eine Silagerolle über
das Feld rollen (Leute so ein Ding wiegt geschätzte 500 Kilogramm), sie wird
schneller und schneller, rollt über ein Hindernis fliegt dabei knappe 30 cm in
die Luft, kommt auf und wird vom Wind beim Aufkommen wie eine Splitterbombe
zerfetzt. Das Gras und die Folie fliegen wie an einer Schnur gezogen über das
Feld in die nächste Hecke.
Silagerollereste!
Rechts von uns wickelt sich irgendeine Schwarze
Folie mit gigantischen Knallen von einer Rolle ab, sie flattert mehrere hundert
Meterlang durch die Luft. Das Herbstlaub prasselt wie eine MG-Salve auf uns
nieder und ich kann mich kaum noch auf der Straße halten. Ich blicke nach
hinten und sehe Moni im Straßengraben mit weit aufgerissenen Augen liegen. Ich
schmeiße mein Fahrrad ebenfalls in den Graben und renne im Schutz des
Straßengrabens zu ihr. Noch nie habe ich diesen Gesichtsausdruck bei ihr
gesehen, ich schreie gegen den Orkan an „Alles Okay bei dir?“ doch keine
Antwort nur ein leerer ängstlicher Blick. Nun bekomme ich es auch mit der Angst
zu tun und spüre wie mein Körper von einer „Gänsehaut“ überzogen wird. Ich
schaue mich um, wir sind bereits am Ortsrand von Ribe, möglicher Schutz ist
also nur einige hundert Meter entfernt.
Aus dem Wald 100 Meter von uns gegen den Wind entfernt vernehme ich nur lautes Knacken und als ob ein Riese durch den Wald marschiert sieht man
hier und da eine Baumkronen verschwinden. Der Wind bahnt sich seinen eigenen Weg durch den Wald! Mit jeder weiteren Böe kommen neue
geschossen über das freie Feld von irgendwoher angesaust. Ich schreie Moni
erneut an und endlich reagiert sie! „Los“ schreie ich, „wir versuchen im Schutz
des Straßengrabens bis vorne an die Kreuzung zu kommen und dann mit Rückenwind
rein in die Stadt.“ Moni nickt nur.
Wie ein fleigender Lindwurm...
...schlängelt sich diese Folie durch die Landschaft
Nichts ist wirklich sicher
Doch selbst im Straßengraben wirft uns der
Wind ständig um, aber irgendwie schaffen wir es bis zur Kreuzung. Von hier
sehen wir den Ortseingang, ich brülle „lass uns bis zu den Häusern schnell
hinfahren, schaffst du das?“ und während sich Moni auf Velo schwingt schreit
sie „ Ist wohl eher die Frage ob du es schaffst, Dicker!“. Yeaha, sie ist
wieder da! Wir kämpfen uns an den Ort ran, ich rufe: „Lass uns vorne an der
Häuserecke kurz unterstellen und durchatmen.“ Moni nickt und kurz bevor wir da
sind, fällt einfach ein Teil der Hausfront um und zwar genau an der Stelle an
der wir eben noch Schutz suchen wollten. Früher habe ich mich gefragt, welche
Idioten bleiben in solchen Situationen stehen und machen Bilder? Ich kann nicht
sagen wie und warum, aber ich habe auch Bilder gemacht!
Wir hatten Glück!
Wir fahren rein in die engen
Gassen von Ribe auf der Suche nach einem Unterschlupf. Wo im Sommer wohl
Vöglein durch die Luft zwitschernd rumfliegen kommen diesmal zischend
Dachziegel angeflogen. Schlagen in Autos ein, knallen auf der anderen
Straßenseite ins Dach, reißen dort große Löcher und noch mehr Ziegel los,
knallen auf den Boden und zersplittern in tausende Einzelteile. Zu unserem Entsetzen
haben viele Geschäfte zu und so sind wir richtig, richtig, richtig froh als wir
ein geöffnetes Cafe entdecken.
Cafe in Boutique
Kleine aber sehr feine Auswahl
Das Cafe ist integriert in eine Boutique und hat super leckeren Kuchen und „Heiße Schokolade am Stiel“ zum trinken. Somit sind Moni und ich auch sofort wieder bei guter Laune und wir bestaunen die Naturgewalten nun durch die Glasscheibe live und durch die Mattscheibe in den dänischen Nachrichten. So sehe ich auch dass ein 35 Tonnen LKW auf einem Damm (unser Damm?) einfach vom Wind ins Wasser gepustet wurde. Wir wollen gerade bezahlen als bei der Bedienung die Hosentasche komische Geräusche von sich gibt, sie greift rein, holt ein I-Phone raus, schaut sich was an und muss sich erst mal zu uns an den Tisch setzen. Sie zeigt uns ein Bild mit einem schönen Baum, leider liegt der Baum quer durch einen zerstörten Wintergarten! Sie kommentiert das Bild nur mit „min vinterhave!“.
Wasser drückt sich in die Vororte
Also knuddeln wir eine fremde Frau, bezahlen und machen uns auf zur Jugendherberge. Die Jugendherberge liegt in Ribe wirklich genial, am Rand eines Naturschutzgebietes mit bestem Blick auf den alten Hafen mit dem Majestätischen Dom im Hintergrund. Der Jugendherbergsvater sagt nur als er hört wo wir gerade mit den Bikes herkommen: „Hvem så heldige lotto bør spille!“. Mal von mir frei übersetzt, „wer so blöd ist freiwillig da raus zu gehen und dann noch Glück hat dass ihm nichts passiert sollte Lotto spielen.“. Alle Angestellten hier im Danhostel haben ein sehr freundliches Wesen und man fühlt sich wirklich sofort willkommen.
Der Wind drückt das Wasser immer weiter in die Stadt
Wir legen uns aufs Bett um kurz durchzuschnaufen und wachen knappe 3 Stunden später wieder auf. Nach einer schönen warmen Dusche machen wir uns auf Richtung Altstadt um ein üppiges Abendmahl zu finden. Der Wind hat stark nachgelassen, doch drückt er noch immer weiter Wasser in den Hafen und die Stadt. Wie knapp die Stadt hier an einem weiteren Problem vorbeigeschrammt ist sollten wir erst am nächsten Tag vom Domturm aus sehen.
Tag 4 Dienstag den 29.10.2013 (eigentliches Urlaubsende)
Der Morgen danach
Was für ein Frühstück, absolut genial, diese dänische Marmelade zusammen mit diesem mehr als genialen Brot, mhmmmm. Am Nachbartisch scheinen sie schon zu Wetten wie oft wir wohl noch Nachschub holen!
Alles so lecker!!!!
Nach einer sehr freundlichen Verabschiedung machen wir uns auf Richtung Bahnhof. Doch ein Blick über die Gleistrasse nach links und rechts genügt um zu erkennen, hier wird heute kein Zug mehr fahren. Wir bekommen gesagt das ein Bus als Ersatz kommen wird aber wann sei fraglich. So beschließen wir zur Überbrückung der Wartezeit uns einen Cafe zu holen. 200 Meter zum Bäcker, gemütlich zurück schlendern mit einem „Cafe too go“ und einem Puddingstückchen fährt ein Bus an uns vorbei. Ja genau, am Bahnhof angekommen wird uns erklärt „dies war euer Bus!“. So und unter ähnlichen Umständen verpassen wir noch 2 weitere Busse bis uns der Mann am Ticketschalter sagt, der Schienenersatzverkehr nimmt eh keine Fahrräder mit!!!
Kleine Zwischenmahlzeit
So beschließen wir noch einen Tag in Ribe zu bleiben, denn an eine weiterfahrt ist dank des Wetters außerhalb der Ortschaft mit einem Fahrrad noch immer nicht zu denken. Wir besichtigen die Altstadt, den Dom und krabbeln auch mal ganz hoch auf den 52 Meter Kirchturm, lernen viel über die Wikinger im Wikingermuseum, schlafen bei der Filmvorführung im Museum ein und werden erst zur nächsten Vorstellung freundlich geweckt.
Ribe hat viele schöne Cafe`s
Besuchen wohl alle Cafes innerhalb der Altstadt, gehen für das Abendessen einkaufen und beziehen wieder unser Zimmer in der Jugendherberge. Moni zaubert mir ein fulminantes Mahl und ich ihr ein Cola-Bier!
In der Spielecke des Wikingermuseum
Ribes Dom und sein 7,5 Mio. teurer Vorplatz
Schöne Gassen bilden zusammen mit dem Dom die Altstadt von Ribe
Tag 5 Mittwoch den 30.10.2013
Was für ein Frühstück, absolut himmlisch, dieser dänische Käse, die Schokoladenblättchen und dazu dieses Brot, mhmmmmm. Nach einer erneuten freundlichen Verabschiedung und „Viel Glück“ Bekundungen machen wir uns wieder auf Richtung Bahnhof und es fährt wirklich ein Zug nach Niebüll in Deutschland.
Endlich im Zug
In Niebüll angekommen erkennen wir anhand der aufgeregten Menschenmassen dass hier etwas nicht stimmt. Und so ist es auch, die Bahnstrecke nach Hamburg ist noch immer gesperrt. Ich frage am
Schalter nach ob die Trasse Flensburg-Hamburg frei ist, doch auch diese ist
noch für unbestimmte Zeit gesperrt. Was machen, stellte sich die Frage. Wir
rufen bei Europcar an ob es hier in Niebüll eine Depedance gibt. Reservieren
via Telefon gleich einen Kombi und stellen erfreut fest, die Niederlassung ist
nur 200 Meter vom Bahnhof entfernt. Auf dem Gelände von Europcar ist richtig
was los, vor dem Büro muss man sich in eine Warteschlange stellen. Irgendwann
höre ich aus dem Büro den Satz: „Da haben sie aber Glück, das ist unser letztes
Fahrzeug für heute!“. Ich drängle mich nach vorne und sage: „Wir haben aber
online hier einen reserviert und zugesagt bekommen.“, ich spüre die
unglückwünschenden Blicke der anderen in der Schlange und des Paares welches
gerade vor dem Schreibtisch sitzt. Die Europcardame daddelt in ihrem Rechner
rum und fragt: „Oh, sind sie Hr. Eggert?“ – „Ja bin ich!“ antworte ich schon
Siegessicher doch dann folgt die nächste Frage „Haben sie ihren Führerschein
dabei?“. Sofort fällt mir eine der letzten Gewichtstuningmaßnahmen im
heimischen Wohnzimmer ein als ich jedes „unnötige“ Stück Papier aus meinem
Portmonee aussortiert habe für die Radtour. Und woher sollte ich wissen dass
ich bei einer Bahn/Rad-Tour einen Führerschein brauche!Ich schüttel unbewusst mit dem Kopf und der
Herr am Schreibtisch nimmt diese Mimik sofort zum Anlass um Klugzuscheißern und
sagt an die Europcardame gewandt: „Ohne Führerschein dürfen sie ihm das
Fahrzeug nicht aushändigen.“. Ich bin sprachlos, so kurz vor dem Ziel eine
Heimfahrtmöglichkeit zu ergattern scheitert es an so einem blöden
Bürokratischen Dokument, doch genau in diesem Moment fliegt wie in einer
Mastercardwerbung von ganz weiten der neue ID-Karten-Führerschein von Moni
durch den Raum auf den Schreibtisch der Europcardame, Shaquille O’Neal hätte
den 3 nicht besser versenken können!
Yeaha, alles drin und ab
Ca. 30 Minuten später haben wir die Bikes im Volvo V60 verstaut und
können nun endlich unsere Heimfahrt antreten. Das Navi führt uns von Niebüll
rüber zur A7 Richtung Flensburg. Bei dieser Überlandfahrt sehen wir Dächer ohne
Häuser auf den Feldern liegen, Bauernhöfe ohne Dächer oder mit total zerstörten
Dächern, Waldgebiete ohne einen einzigen noch aufrechtstehenden Baum,
Verkehrsschilder die einfach umgeknickt wie abstrakte Kunst an der Straße stehen.
In den Nachrichten hören wir Meldungen von Notunterkünften, gigantischen
Sachschäden, Windgeschwindigkeiten von über 190 Km/h und leider sogar von
tragischen tödlichen Unfällen.
Erst jetzt wird uns richtig klar wie viel Glück wir hatten das unsere
Dummheit bei diesem Wetter mit den Velos durch den Orkan zu radeln nicht mit
Verletzungen oder schlimmeren bestraft wurde.
Mal wieder ein Radabenteuer erlebt.
Besonders möchten wir uns aber bei der uns angebotenen Hilfe aus der
Heimat bedanken.
Danke Heike, Torsten und Frank R. ihr werdet schon wissen für was.
Hulk war auch schon da!
Auch möchten wir uns bei den zahlreichen Helfern bedanken die dafür
gesorgt haben das schnellst möglich in den betroffenen Regionen sowas wie
Normalität einkehren konnte. Der Beweis das es ohne freiwillige Wehren und Hilfsdienste nicht funktionieren würde.
Bleibt als Abschluss ein Resümee zu unserer ersten Zipfelpasstour. In
Zukunft mal wieder mehr auf die Mitmenschen hören anstatt einer Wetterapp für
3,99,- € zu glauben und die Hoffnung das die anderen 3 Zipfel ähnlich
abenteuerliche Geschichten hervorbringen, aber ohne solch schlimme Auswirkungen
für die Umwelt.