Freitag, 8. November 2013

Zipfelpass oder wie man bei 190 km/h Velo fährt

Leider Live erlebt, aber ein Sturm kann auch...
...anziehend und schön sein wie hier auf Sylt!


Zipfelbundpass

Pummel ist auch dabei

Aller Anfang ist schwer, dank "Christian" und seinen 190 km/h

Zwischenstop in Hamburg

„Was ist überhaupt der Zipfelpass?“ fragen sich viele. Ich könnte nun sagen: „Es ist der Wunsch einiger Randgemeinden durch den Zipfelpass etwas Kultur durch Gäste an den Rand Deutschlands zu locken“. Doch das haben die Zipfelgemeinden List auf Sylt, Görlitz, Selfkant und Oberstdorf beim besten Willen nicht nötig. Wir (Moni und ich) haben uns vorgenommen die Zipfelgemeinden bis 2015 zumindest auf einem Weg, also Anreise von Peine oder Rückfahrt nach Peine, mit dem Velo zu erledigen. Als erstes sollte nun der Nordzipfel erobert werden.

Speicherstadt Hamburg

Die Planung dafür war zwar nicht ruck zuck erledigt, doch wir hatten schon schwerere Fälle. Wir haben uns dazu entschlossen samstags mit dem Zug nach Flensburg anzureisen und mit dem Velo rüber nach Sylt zu radeln. Dann oben in List übernachten, mit der Fähre von Hörnum rüber ans Festland und entlang des Nordseeradweges an die Elbe und über Zeven an die Aller bis nach Peine zurück. Die Wetterapp sagte zwar Gegenwind vorher, doch was sind 40 km/h mit Nieselregen, pahh das schreckt uns noch lange nicht ab! Bahntickets wurden von Moni gebucht und ich habe mit gpsies schnell eine Route fürs Garmin geklickert. Dank IBC-Forum haben wir allerdings erfahren, dass wir gar nicht mit den Velos nach Sylt radeln können, da der Damm nur mit dem Zug befahren werden darf. 
Wartezeit in Hamburg ausgenutzt

Tag 1 Samstag den 26.10.2013

 

Schöner Radweg Flensburg-Niebüll

So sind wir am ersten Tag von Flensburg über wunderschöne Radwege bis Niebüll geradelt und von dort mit dem Zug rüber nach Westerland. In Westerland angekommen, ging es gleich zum Pavillion am Bahnhof um dort 1. ein Fährticket von Hörnum nach Nordstrand zu kaufen und 2. den Zipfelpassstempel zu holen. Ersteres war auch kein Thema, für 12:00 Uhr am Folgetag haben wir uns 2 Plätze auf der letzten Fähre des Jahres nach Nordstrand sicher können.

Auf dem Weg nach Niebüll

Der Stempel hingegen wird nur im Kulturhaus oder im Pavillion von List auf Papier gepresst. Schnell gegoogelt, Öffnungszeiten des Pavillions in List gescheckt und beschlossen dass wir Westerland aus zeitlichen Gründen nicht besichtigen können. Zwischen Theorie und Praxis lag allerdings ein Schaufenster einer Bäckerei, und hier sah ich einen Mohn-Apfel-Marzipankuchen liegen. Also Bremsmanöver und Moni von der Dringlichkeit einer Tasse Kaffee mit Kuchen überzeugt.

Michels Backhus, meine Empfehlung für Sylt

Wie so oft kann ich bei dem Verzehr einer Köstlichkeit die Umwelt vergessen und so tickte die Uhr bei jedem Ahhh und Ohhhh und Mhmmm unweigerlich weiter bis sie 17:00 Uhr schlug.

Wir hatten auch "schönes" Wetter

Uff, der Pavillion hat nur bis 18:00 Uhr geöffnet und zwischen dem Pavillion und unserem derzeitigen „Süßgebäckhimmel“ lagen noch 17 nasse windige Kilometer. Schnell bezahlt und ab auf unsere glückshormonproduzierenden Streitrösser durch die Sylter Dünenwelt zum Pavillion in List. Punkt 17:46 Uhr kommen wir abgekämpft aber glücklich es noch geschafft zu haben auf dem Hafengelände an. Am Pavillion hängen zu unserer Überraschung neue Öffnungszeiten 10:00 Uhr – 16:00 Uhr, na toll!

Monis blick sagt alles zu den Öffnungszeiten!

Bei den Öffnungszeiten ist uns auch sofort klar, wir bekommen auch am nächsten Tag keine Stempel da wir bis 11:45 Uhr am genau anderen Ende der Insel, gegen den Wind 43 Kilometer fahrend, an der Fähre einchecken müssen. 
Die nördlichste Jugendherberge Deutschlands

Naja, Beweisbild gemacht und ab Richtung Jugendherberge. Diese liegt mehr als idyllisch in den Dünen direkt am Sylter Ellenbogen. Nach einem leckeren Abendessen wurde noch eine Runde Sudoku gespielt, die Bikes und das Gepäck für einen schnellen Start am nächsten Tag vorbereitet und schon schliefen wir mit Wind und Meeresrauschen ein.
  
Schöne Landschaften aber auch "schöner" Wind
 
Blick von der Jugendherberge

 

Tag 2 Sonntag den 27.10.2013


Irgendwer klopft ans Fenster, aber ist unser Zimmer nicht im 1. OG? Ich schau zum Fenster und sehe nur Regentropfen, die wie kleine Geschosse am Glas zerbarsten. Um uns zu bestätigen, dass dieses Mistwetter da draußen nicht real ist, schau ich in die Wetterapp und siehe da, es nieselt nur mit stürmischen Böen von bis 70 km/h! Schön ist die digitale Welt, wenn man daran glaubt!

Blick Nord am Ellenbogen

Also auf zum Frühstück und den Altersschnitt in dieser Jugendherberge um ca. 20 Jahre absenken. Gespannt lauschen die Herrschaften, dass wir bei diesem Wetter nun von List einmal längs über die Insel nach Hörnum radeln wollen und unter gedachten Applaus verlassen wir mit stolz geschwellter Brust den Frühstücksraum. Zeitlich sind wir mehr als gut dabei und haben noch 3,5 Stunden Zeit für die 43 Kilometer bis zur Abfahrt der Fähre.

Die Wanderdünen im Hintergrund

Also raus auf die Bikes ein Stück entlang der Ellenbogenbucht und abbiegen Richtung Süden und Boahaaaaa. Hier zwischen den Wanderdünen kommt uns zum ersten Mal der Wind  frontal von vorne entgegen. Zum Glück müssen wir nur ein Stück direkt gegen den Wind kämpfen, denn sobald es auf den Sylterradweg geht fährt man in vielen Teilen windgeschützt nach Westerland weiter. Trotzdem brauchen wir über eine Stunde von List nach Westerland und beschließen hier einen Kaffeestopp einzulegen. Im Cafe liegen Pelze statt Decken zum Beine Wärmen aus und entsprechend werden wir beäugelt als wir uns mit unseren Lycrahosen zwischen die Möchtegernhighsociety Sylts niederlassen. Die Uhr tickt und wir haben nach dem Bezahlen (scheinbar haben wir mit dem Kaffee auch gleich Anteile an Sylt gekauft) noch knappe 2 Stunden Zeit. Mit diesem Zeitpolster beschließen wir einen Schlenker zum Rantumbecken zu machen. Doch kurz nach Westerland ist es vorbei mit Windschutz und gemütlichen gegen den Wind pedalieren.

Noch trocken aber richtig Gegenwind!
Ich fahre mittlerweile in einem Berggang und rufe zu Moni, dass wir unser Vorhaben über den Deich des Rantumbeckens zu fahren wohl besser sein lassen. Ohne Wiederworte stimmt Moni zu und wir fahren zurück zu dem regulären Radweg nach Hörnum. Aber ab jetzt heißt es kämpfen, der Wind knallt mit voller Wucht von vorne auf uns ein.

Kein Regen verdirbt uns die Stimmung

Der einsetzende Regen schmerzt auf der Haut als ob einer mit Nadeln auf einem rumpickst. Ich trete mit aller Macht in die Pedalen, schaue auf meinen Tacho und  lese unglaubliche 7,6 km/h!!! Wir versuchen uns mit Windschattenfahren, doch jedes Steinchen, jedes Sandkorn, das vom Hinterrad des Vordermannes aufgewirbelt wird, wird vom Wind zu einem wahren Geschoss umfunktioniert welches scheinbar mit lasergesteuerten Zieleinrichtungen auch jedes Mal die Augen trifft. Für die flachen 18 Kilometer von Westerland nach Hörnum brauchen wir fast 80 Minuten und schaffen es gerade rechtzeitig nass und durchgefroren zum Hafen.

Leider legt diesmal keine Fähre ab.

Hier steht ein Pavillion der Reederei und Moni rennt schnell rein um zu fragen welches Schiff das richtige ist. Ich beobachte das Ganze von draußen und sehe wie Moni ihre gesamte Körperspannung verliert, oje das muss eine schlechte Nachricht sein. Moni kommt raus und sagt: „ Wegen Sturm fährt keine Fähre mehr!“ Immerhin können wir unser Ticket zurückgeben und verziehen uns ins „Südkap“ zum Aufwärmen.


Karte im Südkap

Sehr schnell ist der Entschluss gefasst also wieder zurück nach List zu fahren und nun doch den Zipfelpassstempel zu holen und am nächsten Tag mit der Bahn die „verlorenen“ Kilometer aufzuholen. Mit diesem Lösungsweg und dem Wissen, dass es nun 40 Kilometer mit Rückenwind zurück geht, genießen wir gut gelaunt unseren seelenwärmenden Lumumba mit Kartoffelsuppe! 
Lumumba und Kartoffelsuppe, da lachen Pummel und Moni um die Wette...
...und auch ich finde meine gute Laune wieder!

Kaum auf den Bikes sagt Moni, dann können wir doch jetzt noch zum Rantumbecken fahren. Gesagt getan und es hört sogar auf zu regnen. Wir rollen mit dem Rückenwind ohne in die Pedale zu treten mit 20,4 km/h über den Deich des Beckens. Kurz angehalten um etwas über diesen „Flugplatz“ hier zu lernen und zu verstehen warum man am Meer ein Pumpwerk braucht: Um Salzwasser ins Salzwasser zu pumpen.

Erst Möwen...

...dann Schafe...
...dann von unten...

...von oben...
...und mit Pummel vom Strand!
In Westerland dann ein Stopp bei „unserem“ Bäcker und für die weitere Rückfahrt noch super leckere selbstgemachte Dominosteine mitnehmen. Und trotz des Geschichtsausflugs und dem kulinarischen Zuckerstopp sind wir in weniger als 2 Stunden wieder in List und haben unsere ersten Zipfelpassstempel.

In der Jugendherberge bekommen wir zwar wieder unser Zimmer, doch da wir vergessen haben uns mittags anzumelden gibt es leider kein Abendessen für uns. So kommt es, dass wir mit unseren Rädern erneut raus in die stürmische Nacht aufbrechen und gut angefeuchtet in der Weststrandhalle eintreffen.


Auf zur Weststrandhalle

Das gesamte Restaurant verstummt für einige Sekunden als wir mit unseren Helmen samt Helmbeleuchtung den Genusstempel betreten. Doch schnell hat man sich auch hier an unsere Lycrahosen gewöhnt und wir lassen es uns schmecken und dabei den stürmischen Tag Revue passieren. Ich hoffe nur das alle die unter uns entstandenen kleinen Seen auch richtig gedeutet haben! Vom Nachbartisch vernehme ich noch Wortfetzen von wegen, „der richtige Sturm soll erst morgen kommen!“ doch was stört mich das Geschwätz der Einheimischen wenn ich eine Wetterapp habe die weiterhin nur frische Brisen mit leichten Nieselregen vorhersagt. Als der Kellner mit der Rechnung kam war uns klar, wir haben eben einen weiteren Teil von Sylt erstanden.(das Essen war jeden Cent wert!)
So gehen nicht viele in die Weststrandhalle ;-)

Tag 3 Montag den 28.10.2013


Augen auf und raus schauen, doch was wir da sehen sieht nicht nach Sturm aus. Leichter Nieselregen, bissel Wind und gemütlich in der Dünenlandschaft grasende Schafe. Wir gehen zum Frühstück und müssen erst mal allen erklären warum wir wieder da sind und was wir nun vorhaben.

Blick aus dem Zimmerfenster

Nun müssen wir allerdings erneut unseren Plan verändern, denn auch die Deutsche Bahn hat ihren Bahnverkehr von und zur Insel wegen des aufkommenden Sturms oder evtl. auch schon vorhandenen Schäden entlang der Strecke eingestellt. Die einzige Möglichkeit also nun noch von der Insel zu kommen ist die Fähre nach Dänemark.

Wartezeit auf die Fähre verbringt Moni hier!

Schnell angerufen und erfahren, dass auch hier nur noch eine Fähre um 11:25 Uhr fährt und danach der Fährverkehr wegen des aufkommenden Sturmes bis auf weiteres eingestellt wird. So starker Sturm, blick auf die Wetterapp, nein auch das Regenradar zeigt nichts schlimmes. So steht fest wir fahren nach Dänemark. Hauptsache Festland und die Option der Bahnheimreise offen halten. 
Die Fähre nach Römö

Diesmal ziehen wir sogar unsere Regensachen an, ich kann mich nicht erinnern wann ich die mal anhatte auf einer Tour. Als wir zur Fährstation rollen kommt sogar die Sonne etwas durch. Vor meinem geistigen Auge hatte ich eine Art „Flussfähre“ erwartet. Doch hier handelt es sich um ein richtiges Schiff mit großem Bordrestaurant, und was macht man in einem dänischen Bordrestaurant? Genau, einen schönen leckeren natürlich roten Hot Dog futtern.


Hot Dog...

...in drei Bissen
Ich bin der König von Sylt!

Mal gut festhalten, nicht das mir Moni noch davon fliegt.

Danach Spaziergang übers Deck und eine Karte entdeckt, ups wir fahren nicht ans dänische Festland sondern nach Römö eine Insel mit einem 12 Kilometer langen Zugangsdamm durch die Nordsee. Nach nur wenigen Metern auf der Insel wird uns so warm in den Regenklamotten dass wir anhalten und uns unseren warmen Klamotten entledigen.

Blauer Himmel und Sonne

Dank Rückenwind kommen wir auch ruck zuck am Damm an und erst hier wo wir quer zur Windrichtung auf den Damm auffahren, merken wir wie stark der Wind geworden ist. Noch ist es machbar und so fahren wir weiter Richtung Festland. Von Sekunde zu Sekunde wird der Wind aber stärker. Die aufpeitschende Gicht fliegt uns wie ein Stecknadeltorpedo ins Gesicht.

Noch ist es für Nordfriesische Verhältnisse Windstill!

An eine Unterhaltung ist nicht mehr zu denken, wir müssen uns anschreien um überhaupt etwas zu verstehen. Moni fährt nun in Schräglage vor mir und sobald die Leitplanken für eine Zufahrt zum Damm unterbrochen werden, schlägt einem der Wind mit der Kraft eines Hammerschlages gegen das Vorderrad. Und so passiert es auch dass Moni an einer solchen Stelle wie von Geisterhand auf einmal quer über die 2 Fahrspuren vom Wind geschoben/gedrückt wird. Zum Glück kam in diesem Moment kein Auto vorbei. Hinter einem kleinen Schild das etwas Windschutz bietet schreien wir uns an. Option 1, auf der windabgewandten Seite des Deiches flach hinlegen und den Sturm „Aussitzen“ oder Option 2, irgendwie mit aller Macht weiter über den Damm bis ans Festland und dort Schutz suchen. 
Gegen den Wind!

Während wir uns also in diesem abartigen Wind anschreien bin ich über meine eigenen Gedankengänge überrascht. „Da stehen wir also zu zweit auf einem Damm hinter einem kleinen Infoschild etwas Schutz erhaschend mitten in einem Sturm. Die Gicht und der einsetzende Regen knallen uns mit einer unbeschreiblichen härte ins Gesicht. Würden wir uns nicht an der Leitplanke festhalten, würden wir wohl wegrutschen und trotzdem kann ich in Monis Gesicht sowas wie Freude, Erregtheit oder Kampfgeist  ablesen. Und irgendwie kommt in mir, in diesem Moment stolz auf mit dieser Frau hier zu stehen und dieses kleine Abenteuer zu erleben und trotz dieser derzeitigen unglücklichen Lage bin ich glücklich!“ 
My Women

Ein vorbeirauschender PKW holt mich aber leider aus meiner kleinen kuscheligen warmen Gedankenwelt wieder raus. Ich schaue auf das „Schutzschild“ und sehe darauf eine Landkarte des Damms. Dieser macht gemäß Karte bald einen leichten knick nach Norden und würde uns somit etwas Rückenwind statt nur brachialen Seitenwind geben. Ich schreie Moni an: „WEITER!“ und sie zögert keine Sekunde, steigt auf und ist in der nächsten Sekunde 10 Meter links von mir auf der anderen Straßenseite ohne auch nur einen Meter vorwärts zu fahren, kämpft sich zurück auf die rechte Spur und ackert gegen den Wind weiter Richtung Festland. Wir sehen vorne den „Knick“ und kaum dass wir an dieser Stelle sind, beschleunigt das Fahrrad von alleine. Wir kommen an einer Anzeige vorbei auf der BFT 10 angezeigt wird, also 90-100 km/h Windgeschwindigkeit. So geht es nun aufs Festland und das erste Gebäude das wir erblicken ist ein Imbiss an einem Kreisel, rein, verschnaufen und was Warmes trinken.   
Das einzige Bild der ersten Sturmhälfte

Als ob der liebe Wettergott nur darauf gewartet hat dass wir in Sicherheit sind, entfacht er nun die nächste Stufe seiner vernichtenden Arbeit. Der Wind bläst ohne auch nur ansatzweise Luft zu holen mit einer Heftigkeit, die vor unseren Augen Wahlplakate zu Flugzeugen umwandelt, Straßenlaterne wie Bäume im Wind spielen lässt und oh shit unsere Fahrräder über den Boden fliegen lässt! Da wir nun eh hier „gefangen“ sind und regelmäßig irgendwelche dänischen Politiker dank fliegender Wahlplakate an der Scheibe kleben beschließen wir, uns kulinarisch die Zeit zu vertreiben. Einige Cheeseburger später  und nach dem Studium der Landkarte stand unser neues Ziel fest. Von hier weiter Richtung Süden. In Richtung Deutschland wäre bei dem Gegenwind unmöglich, auch wenn es nur 4 Kilometer bis zur nächsten Ortschaft sind. So beschließen wir sobald der Wind nachlässt erst knappe 2 Kilometer quer zum Wind weiter Richtung Landesinneren zu fahren und von dort press mit Rückenwind die 19 Kilometer über kleine Landstraßen nach Ribe im Norden zu versuchen. 
Und weiter geht die Tour

Und wirklich, der Himmel „reist“ urplötzlich auf, die Sonne kommt sogar durch und der Wind lässt merklich nach, also raus und das letzte Stück für heute schnell abstrampeln. Wir kommen auch gut voran und biegen auf der Straße Richtung Norden ab und lassen uns vom Wind treiben. Das Fatale daran mit dem Wind zu fahren ist die Tatsache, dass alle Warnsignale ausgeschaltet werden. Man hört kein böses Windheulen mehr, man muss nicht gegen den Wind ankämpfen und irgendwie freut man sich das man mit knapp 28 km/h durch die Landschaft rollt ohne treten zu müssen. So legen wir auch ruck zuck etliche Kilometer zurück und fühlen uns eigentlich recht sicher.



An einer Stelle bei der wir quer zum Wind fahren müssen machen wir noch ein kleines Video und ab hier hörte der Spaß auf. Der Wind wurde schlagartig wieder heftiger, der Himmel verdunkelte sich, Bäume biegen sich bis auf den Boden runter und zerbarsten oder fallen gleich ganz mit rausgerissenen Wurzelstock um. Mein Fahrrad verhält sich wie ein kleiner Drachen und flattert im Wind.  Links von mir sehe ich eine Silagerolle über das Feld rollen (Leute so ein Ding wiegt geschätzte 500 Kilogramm), sie wird schneller und schneller, rollt über ein Hindernis fliegt dabei knappe 30 cm in die Luft, kommt auf und wird vom Wind beim Aufkommen wie eine Splitterbombe zerfetzt. Das Gras und die Folie fliegen wie an einer Schnur gezogen über das Feld in die nächste Hecke.

Silagerollereste!

Rechts von uns wickelt sich irgendeine Schwarze Folie mit gigantischen Knallen von einer Rolle ab, sie flattert mehrere hundert Meterlang durch die Luft. Das Herbstlaub prasselt wie eine MG-Salve auf uns nieder und ich kann mich kaum noch auf der Straße halten. Ich blicke nach hinten und sehe Moni im Straßengraben mit weit aufgerissenen Augen liegen. Ich schmeiße mein Fahrrad ebenfalls in den Graben und renne im Schutz des Straßengrabens zu ihr. Noch nie habe ich diesen Gesichtsausdruck bei ihr gesehen, ich schreie gegen den Orkan an „Alles Okay bei dir?“ doch keine Antwort nur ein leerer ängstlicher Blick. Nun bekomme ich es auch mit der Angst zu tun und spüre wie mein Körper von einer „Gänsehaut“ überzogen wird. Ich schaue mich um, wir sind bereits am Ortsrand von Ribe, möglicher Schutz ist also nur einige hundert Meter entfernt. 

Aus dem Wald 100 Meter von uns gegen den Wind entfernt vernehme ich nur lautes Knacken und als ob ein Riese durch den Wald marschiert sieht man hier und da eine Baumkronen verschwinden. Der Wind bahnt sich seinen eigenen Weg durch den Wald! Mit jeder weiteren Böe kommen neue geschossen über das freie Feld von irgendwoher angesaust. Ich schreie Moni erneut an und endlich reagiert sie! „Los“ schreie ich, „wir versuchen im Schutz des Straßengrabens bis vorne an die Kreuzung zu kommen und dann mit Rückenwind rein in die Stadt.“ Moni nickt nur.


Wie ein fleigender Lindwurm...

...schlängelt sich diese Folie durch die Landschaft

Nichts ist wirklich sicher

Doch selbst im Straßengraben wirft uns der Wind ständig um, aber irgendwie schaffen wir es bis zur Kreuzung. Von hier sehen wir den Ortseingang, ich brülle „lass uns bis zu den Häusern schnell hinfahren, schaffst du das?“ und während sich Moni auf Velo schwingt schreit sie „ Ist wohl eher die Frage ob du es schaffst, Dicker!“. Yeaha, sie ist wieder da! Wir kämpfen uns an den Ort ran, ich rufe: „Lass uns vorne an der Häuserecke kurz unterstellen und durchatmen.“ Moni nickt und kurz bevor wir da sind, fällt einfach ein Teil der Hausfront um und zwar genau an der Stelle an der wir eben noch Schutz suchen wollten. Früher habe ich mich gefragt, welche Idioten bleiben in solchen Situationen stehen und machen Bilder? Ich kann nicht sagen wie und warum, aber ich habe auch Bilder gemacht!

Wir hatten Glück!

Wir fahren rein in die engen Gassen von Ribe auf der Suche nach einem Unterschlupf. Wo im Sommer wohl Vöglein durch die Luft zwitschernd rumfliegen kommen diesmal zischend Dachziegel angeflogen. Schlagen in Autos ein, knallen auf der anderen Straßenseite ins Dach, reißen dort große Löcher und noch mehr Ziegel los, knallen auf den Boden und zersplittern in tausende Einzelteile. Zu unserem Entsetzen haben viele Geschäfte zu und so sind wir richtig, richtig, richtig froh als wir ein geöffnetes Cafe entdecken.

Cafe in Boutique

Kleine aber sehr feine Auswahl

Das Cafe ist integriert in eine Boutique und hat super leckeren Kuchen und „Heiße Schokolade am Stiel“ zum trinken. Somit sind Moni und ich auch sofort wieder bei guter Laune und wir bestaunen die Naturgewalten nun durch die Glasscheibe live und durch die Mattscheibe in den dänischen Nachrichten. So sehe ich auch dass ein 35 Tonnen LKW auf einem Damm (unser Damm?) einfach vom Wind ins Wasser gepustet wurde. Wir wollen gerade bezahlen als bei der Bedienung die Hosentasche komische Geräusche von sich gibt, sie greift rein, holt ein I-Phone raus, schaut sich was an und muss sich erst mal zu uns an den Tisch setzen. Sie zeigt uns ein Bild mit einem schönen Baum, leider liegt der Baum quer durch einen zerstörten Wintergarten! Sie kommentiert das Bild nur mit „min vinterhave!“. 

Wasser drückt sich in die Vororte

Also knuddeln wir eine fremde Frau, bezahlen und machen uns auf zur Jugendherberge. Die Jugendherberge liegt in Ribe wirklich genial, am Rand eines Naturschutzgebietes mit bestem Blick auf den alten Hafen mit dem Majestätischen Dom im Hintergrund. Der Jugendherbergsvater sagt nur als er hört wo wir gerade mit den Bikes herkommen: „Hvem så heldige lotto bør spille!“. Mal von mir frei übersetzt, „wer so blöd ist freiwillig da raus zu gehen und dann noch Glück hat dass ihm nichts passiert sollte Lotto spielen.“. Alle Angestellten hier im Danhostel haben ein sehr freundliches Wesen und man fühlt sich wirklich sofort willkommen. 
Der Wind drückt das Wasser immer weiter in die Stadt

Wir legen uns aufs Bett um kurz durchzuschnaufen und wachen knappe 3 Stunden später wieder auf. Nach einer schönen warmen Dusche machen wir uns auf Richtung Altstadt um ein üppiges Abendmahl zu finden. Der Wind hat stark nachgelassen, doch drückt er noch immer weiter Wasser in den Hafen und die Stadt. Wie knapp die Stadt hier an einem weiteren Problem vorbeigeschrammt ist sollten wir erst am nächsten Tag vom Domturm aus sehen.

Tag 4 Dienstag den 29.10.2013 (eigentliches Urlaubsende)


Der Morgen danach

Was für ein Frühstück, absolut genial, diese dänische Marmelade zusammen mit diesem mehr als genialen Brot, mhmmmm. Am Nachbartisch scheinen sie schon zu Wetten wie oft wir wohl noch Nachschub holen! 
Alles so lecker!!!!

Nach einer sehr freundlichen Verabschiedung machen wir uns auf Richtung Bahnhof. Doch ein Blick über die Gleistrasse nach links und rechts genügt um zu erkennen, hier wird heute kein Zug mehr fahren. Wir bekommen gesagt das ein Bus als Ersatz kommen wird aber wann sei fraglich. So beschließen wir zur Überbrückung der Wartezeit uns einen Cafe zu holen. 200 Meter zum Bäcker, gemütlich zurück schlendern mit einem „Cafe too go“ und einem Puddingstückchen fährt ein Bus an uns vorbei. Ja genau, am Bahnhof angekommen wird uns erklärt „dies war euer Bus!“. So und unter ähnlichen Umständen verpassen wir noch 2 weitere Busse bis uns der Mann am Ticketschalter sagt, der Schienenersatzverkehr nimmt eh keine Fahrräder mit!!!
Kleine Zwischenmahlzeit

So beschließen wir noch einen Tag in Ribe zu bleiben, denn an eine weiterfahrt ist dank des Wetters außerhalb der Ortschaft mit einem Fahrrad noch immer nicht zu denken. Wir besichtigen die Altstadt, den Dom und krabbeln auch mal ganz hoch auf den 52 Meter Kirchturm, lernen viel über die Wikinger im Wikingermuseum, schlafen bei der Filmvorführung im Museum ein und werden erst zur nächsten Vorstellung freundlich geweckt. 
Ribe hat viele schöne Cafe`s

Besuchen wohl alle Cafes innerhalb der Altstadt, gehen für das Abendessen einkaufen und beziehen wieder unser Zimmer in der Jugendherberge. Moni zaubert mir ein fulminantes Mahl und ich ihr ein Cola-Bier!
In der Spielecke des Wikingermuseum
Ribes Dom und sein 7,5 Mio. teurer Vorplatz

Schöne Gassen bilden zusammen mit dem Dom die Altstadt von Ribe

 

Tag 5 Mittwoch den 30.10.2013


Was für ein Frühstück, absolut himmlisch, dieser dänische Käse, die Schokoladenblättchen und dazu dieses Brot, mhmmmmm. Nach einer erneuten freundlichen Verabschiedung und „Viel Glück“ Bekundungen machen wir uns wieder auf Richtung Bahnhof und es fährt wirklich ein Zug nach Niebüll in Deutschland. 
Endlich im Zug

In Niebüll angekommen erkennen wir anhand der aufgeregten Menschenmassen dass hier etwas nicht stimmt. Und so ist es auch, die Bahnstrecke nach Hamburg ist noch immer gesperrt. Ich frage am Schalter nach ob die Trasse Flensburg-Hamburg frei ist, doch auch diese ist noch für unbestimmte Zeit gesperrt. Was machen, stellte sich die Frage. Wir rufen bei Europcar an ob es hier in Niebüll eine Depedance gibt. Reservieren via Telefon gleich einen Kombi und stellen erfreut fest, die Niederlassung ist nur 200 Meter vom Bahnhof entfernt. Auf dem Gelände von Europcar ist richtig was los, vor dem Büro muss man sich in eine Warteschlange stellen. Irgendwann höre ich aus dem Büro den Satz: „Da haben sie aber Glück, das ist unser letztes Fahrzeug für heute!“. Ich drängle mich nach vorne und sage: „Wir haben aber online hier einen reserviert und zugesagt bekommen.“, ich spüre die unglückwünschenden Blicke der anderen in der Schlange und des Paares welches gerade vor dem Schreibtisch sitzt. Die Europcardame daddelt in ihrem Rechner rum und fragt: „Oh, sind sie Hr. Eggert?“ – „Ja bin ich!“ antworte ich schon Siegessicher doch dann folgt die nächste Frage „Haben sie ihren Führerschein dabei?“. Sofort fällt mir eine der letzten Gewichtstuningmaßnahmen im heimischen Wohnzimmer ein als ich jedes „unnötige“ Stück Papier aus meinem Portmonee aussortiert habe für die Radtour. Und woher sollte ich wissen dass ich bei einer Bahn/Rad-Tour einen Führerschein brauche!  Ich schüttel unbewusst mit dem Kopf und der Herr am Schreibtisch nimmt diese Mimik sofort zum Anlass um Klugzuscheißern und sagt an die Europcardame gewandt: „Ohne Führerschein dürfen sie ihm das Fahrzeug nicht aushändigen.“. Ich bin sprachlos, so kurz vor dem Ziel eine Heimfahrtmöglichkeit zu ergattern scheitert es an so einem blöden Bürokratischen Dokument, doch genau in diesem Moment fliegt wie in einer Mastercardwerbung von ganz weiten der neue ID-Karten-Führerschein von Moni durch den Raum auf den Schreibtisch der Europcardame, Shaquille O’Neal hätte den 3 nicht besser versenken können! 
Yeaha, alles drin und ab

Ca. 30 Minuten später haben wir die Bikes im Volvo V60 verstaut und können nun endlich unsere Heimfahrt antreten. Das Navi führt uns von Niebüll rüber zur A7 Richtung Flensburg. Bei dieser Überlandfahrt sehen wir Dächer ohne Häuser auf den Feldern liegen, Bauernhöfe ohne Dächer oder mit total zerstörten Dächern, Waldgebiete ohne einen einzigen noch aufrechtstehenden Baum, Verkehrsschilder die einfach umgeknickt wie abstrakte Kunst an der Straße stehen. In den Nachrichten hören wir Meldungen von Notunterkünften, gigantischen Sachschäden, Windgeschwindigkeiten von über 190 Km/h und leider sogar von tragischen tödlichen Unfällen.

Erst jetzt wird uns richtig klar wie viel Glück wir hatten das unsere Dummheit bei diesem Wetter mit den Velos durch den Orkan zu radeln nicht mit Verletzungen oder schlimmeren bestraft wurde.

 

Mal wieder ein Radabenteuer erlebt.

Besonders möchten wir uns aber bei der uns angebotenen Hilfe aus der Heimat bedanken. 
Danke Heike, Torsten und Frank R. ihr werdet schon wissen für was.
Hulk war auch schon da!

Auch möchten wir uns bei den zahlreichen Helfern bedanken die dafür gesorgt haben das schnellst möglich in den betroffenen Regionen sowas wie Normalität einkehren konnte. Der Beweis das es ohne freiwillige Wehren und Hilfsdienste nicht funktionieren würde.

Bleibt als Abschluss ein Resümee zu unserer ersten Zipfelpasstour.
In Zukunft mal wieder mehr auf die Mitmenschen hören anstatt einer Wetterapp für 3,99,- € zu glauben und die Hoffnung das die anderen 3 Zipfel ähnlich abenteuerliche Geschichten hervorbringen, aber ohne solch schlimme Auswirkungen für die Umwelt.

Links zum Artikel
Stadt Ribe
Rantumbecken
Weststrandhalle 

Sonstiges
Im Zug kamen wir mit...

...Mr. ...

...Fatboy ins Gespräch.

Pummel auf seinem neuen Leuchtturm