Montag, 7. November 2016

Kapitel 6 - Indien - Der Sonderausweis



Wir haben diese kleinen Läden lieben gelernt.



Kapitel 6 – Der Sonderausweis – Innerline Permit


…unsere erste Abfahrt startete gedanklich ja schon am frühen Morgen, denn „was ziehen wir an?“ war die Frage aller Fragen. Soll ich die indische Frauenwelt direkt als Lycra-Presswurst beglücken? Verstößt Moni in ihrem engen Lycra-Outfit evtl. gegen irgendwelche Anstandsregeln? Wir entschließen uns zu einer Mischung aus allem was wir dabei haben. 

Radloutfit "Normal"

Im Hintergrund sieht man etwas die Straßen samt Kurven.


Wir starten am Hotel aus der Menschentraube heraus und biegen in die erste Gasse ab und schon ertönt aus einer kleinen Teestube: „Monika, we love you“. Unsere Tempelgruppe lässt ihren Tee stehen und kommt an den Straßenrand um uns anzufeuern und natürlich Bilder zu machen. Es bildet sich eine regelrechte Gasse in der Menschenmasse und nun verstehen wir. Wir sind zwar in einem aus unserer Sicht exotischen Land, aber die Exoten sind wir hier. 

Heiliges Viehzeugs.

LKW überholen rechts, zack kommt Viehzeugs.

Kuh mit Kopf im Hang?


Wir verlassen das Dorf und automatisch ziehen wir in den Abfahrten auf die falsche Straßenseite. Doch Narender fährt nur wenige Meter hinter uns und fängt sofort mit einem Hupkonzert an bis wir wieder auf der richtigen Seite fahren. Er fährt so dicht hinter uns, dass ich anhalte und ihm erkläre er soll bitte etwas Abstand halten. Das funktioniert auch für die nächsten 500 Meter, dann ist er wieder hinter uns. Ich will gerade wieder anhalten um ihn zu erklären, er solle Abstand halten als Moni ruft: „Lass ihn, wir geben einfach mal Gas!“ 

Zisch

Weniger schnelles Zisch...

Narender


Yeaha, das machen wir und ruck zuck haben wir ihn außer Motorhörreichweite und wenig später außer Sichtweite. Doch immer wenn wir anhalten um Bilder zu machen kommt er wieder von hinten. Überschwänglich vor Freude zieh ich das Handy raus um ein Filmchen zu drehen während der Abfahrt, achte kurz nicht auf vorne und…oje oje war das knapp. Keine Ahnung wo das Auto herkam, es war plötzlich da. Die Situation war so knapp, ich hab im gesamten Urlaub keine weiteren Filmchen auf dem Rad gedreht, ich schein doch lernfähig zu sein. 

Wer sieht Moni?

In den Ortschaften fällt links fahren, rechts abbiegen noch schwer.


Wir konzentrieren uns wieder mehr auf die Abfahrt, aber der Fernblick lässt unsere Blicke immer wieder von der Straße in die Ferne schweifen. Jedoch muss man hier wirklich mit allem rechnen: Kinder die einen zwar mit großen Augen anschauen, aber trotzdem auf die Straße laufen, Hunde, die uns einige Meter hinterher rennen und viele Kühe, die wissen, dass sie keinen Platz machen müssen, da sie hier absolut heilig sind. An einer der Militärstationen sag ich zu Moni „bleib mal neben dem Soldaten stehen für ein Bild.“ Doch kaum zücke ich die Kamera kommen mehrere Soldaten aus allen Ecken und rufen „No!!!“.

Bergverkehr.

Ausblicke

So machen Abfahrten richtig Laune.

Ein Bild haben wir doch vom Militär.


Irgendwann kommen wir im Tal an. Es macht uns so viel Spaß endlich wieder auf den Rädern zu sitzen, wir fahren direkt weiter in den nächsten Anstieg. Doch das geht Narender etwas zu langsam und er kommt von hinten ran und sagt, wir müssen uns beeilen sonst haben die Behörden in Rekong Peo  geschlossen. So verladen wir wieder die Velos auf dem Jeep und staunen nicht schlecht bei dem was jetzt noch „Straße“ genannt wird in manchen Abschnitten. 


Kaum stehen wir,...
...gibt es Zuschauer.

Gegenverkehr

Wer sieht die Straße?

Noch ist alles schön grün.


Zeitweise fahren wir viele Kilometer mit unter 20 km/h und werden trotzdem noch im Jeep hin und her geworfen. Der Weg ist zum Teil einfach in den Fels gesprengt und als Straßenbelag dient der blanke Fels. Das Tal wird enger und enger und wir werden an jeder Brücke vom Militär angehalten, kontrolliert und in irgendwelche große Bücher eingetragen.

Die Straßen werden staubiger.

Tunnel

Gigantische Wegeführung

Links geht es runter.

Einfach mal aus dem Fenster nach unten Fotografiert. Ja, da ist der Abgrund wenige Zentimeter neben dem Reifen!
An Brücken gab es immer Kontrollposten



Die Warnungen auf den Schildern man solle auf herabfallende Steine ebenso wie auf die Straßenkante achten, wird von verrosteten total verbeulten Autos im Fluss untermalt. An einem Abschnitt ist die Straße einfach komplett von einer Sand/Steinlawine auf mehrere hundert Meter verschüttet. Narender kommentiert diesen Abschnitt mit einem leisen Gebet und den Worten „viele Tote“. 

Da war mal eine Straße.

Wenn man diese Naturgewalt sieht fängt man an zu hoffen, dass es diesmal ruhig bleibt in der Erde.

Materialverschleiß

Das Tal wird enger und enger.

Safety!

Es war ein absolutes Abenteuer auf diesen Straßen.
Ausblicke!

Durchblick?


Nach gut 10 Stunden Jeepschaukel führt uns eine Straße raus aus dem engen Tal und hoch nach Rekong Peo. Von hier sehen wir erstmals die schneebedeckten Gipfel eines 6.000er Berges, der Kinnaur Kailash. Narender führt uns zu einem Gebäude was nach vielem Aussieht, aber nicht nach einem „Regierungssitz“. Er grinst und sagt „Ready for indian bureaucracy?“ und wir nicken. 

Der normale Wahnsinn.

Wer macht Platz?

Endlich wieder Leitplanken, im Hintergrund an dem Stück gab es nichts!

Schlafplatz-Wandler.

Kaum aus dem Tal raus, gibt es gigantische Ausblicke.


In einem kleinen Raum hinter den Touristenbüros sitzt ein Beamter. Er ist nett aber etwas distanziert. Man merkt er hat nicht wirklich Lust uns alles was er nun von uns braucht zu erklären. Doch als Moni ihm alle benötigten Dokumente feinst säuberlich inkl. Kopien unserer Pässe sowie die Passbilder übergibt, verändert sich der Mann vor uns total. Er wird richtig freundlich, stellt viele Fragen über Deutschland, gibt uns viele Tipps was wir unterwegs unbedingt anschauen müssen und füllt dabei seine Bücher mit unseren Daten. Nun müssen wir noch einige Dokumente unterschreiben und fertig. 

Rekong Peo

Fast wie in den Alpen.


Doch der Beamte sagt nun: „Okay let´s go!“. Wir gehen über einen großen Parkplatz auf ein Gebäude zu, was nun deutlich eher an einen Beamtenapparat erinnert. Im Inneren werden wir freundlichst gebeten uns zu setzen. Es gibt viele weitere Dokumente und wir müssen vor einer kleinen Kamera posieren. Irgendwann werden wir gebeten wieder in das andere Gebäude zu gehen und dort 10 Minuten zu warten. 

Dorfleben

Hundeleben


Wir gehen raus und sagen Narender, wir müssen noch 10 Minuten warten. Doch er grinst und fragt, ob wir Hunger haben und führt uns in eine dieser kleinen Straßenküchen. Hier bekommen wir super leckeres Essen und natürlich Chai-Tee. Über 1 Stunden später werden wir aber doch nervös und gehen zurück zu dem freundlichen Beamten. Dieser ist aber noch gar nicht wieder da. Es dauert noch 10 Minuten bis er mit unseren Papieren erscheint. Wir bezahlen und haben unsere „Innerline Permit“. Somit dürfen wir ins Grenzgebiet Indien/China (Tibet), in das Wüstental Spiti Valley. Yipieeyyeaha.

Zu scharf? Nein...

Innerline Permit und Prospekte


Doch für uns geht es weiter den Berg hoch. Der Fluß im Tal liegt bei ca. 2.000 Metern, Rekong Peo auf 2.400 Metern und unser Ziel für heute: Kalpa, auf 2.800 Meter. Hier merken wir zum ersten Mal, wir sind am Saisonende unterwegs. Die meisten Hotels haben bereits geschlossen und die wenigen, die noch offen haben sind menschenleer. Wir finden ein Hotel mit wunderschönem Ausblick vom Balkon auf die Schneegipfel des Kinnaur Kailash und beziehen unser Zimmer. 

Kurz den Ausblick genießen.

Absoluter Wahnsinn.

Wir wollten uns gerade auf dem Bett mit Tagesdecke etwas entspannen als es an der Tür klopft. Ein Junge aus dem Hotel steht vor der Tür und möchte wissen, wann und vor allem was wir essen möchten. Denn saisonbedingt gibt es nicht viel Auswahl. Er empfiehlt uns ein Hühnchen-Massal, allerdings so verstehen wir es, gibt es das nur für 4 Personen. Aber bei den Speisepreisen ist uns dies relativ egal und wir sagen er soll die 4 Portionen für 20:00 Uhr fertigmachen. Er fragt zwar noch 3-mal ob die Bestellung so alles ist, aber was sollen wir noch bestellen? 

Feierabend!

Blick zum Tempel.

Kleiner Weg zum Dorf.

Glockenspiel

Ja, der Wind war hier ein Begleiter.


Jetzt, da wir eh nicht zur Ruhe kommen, ziehen wir uns wieder die Wanderschuhe an und beschließen ins ca. 2 Kilometer entfernte Dorf zu wandern. Wir finden auch schöne Wege und landen mitten in einem kleinen Dorf mit Tempel. Dieses kleine Dorf hat es aber faustdick hinter den Ohren. So hieß der Ort und die Region früher Chini, was auf Hindi „Zucker“ bedeutet, aber auch „China“. Nach dem Grenzkrieg zwischen China und Indien und dem Überfall Chinas in diese Region wurde der Name in Kalpa geändert. 

Diese Läden machen wirklich Spaß.

Wer kein Esel hat, muss selber tragen.

Schöne Natur mit Müllrinnsal.

Wo Ruinen stehen ist Land billig.

Tempelblicke.

Kalpa


Jedenfalls mitten in Kalpa auf dem höchsten Punkt ist ein Tempel und diesen haben wir für uns alleine. Was eine absolute Seltenheit darstellt, wie wir später gesagt bekommen haben. Denn der hinduistische, von der Pahari-Religion geprägte „Tempel von Chini“ mit seinen ungwöhnlichen Holzfiguren ist nicht nur ein Touristenmagnet. Aus der ganzen Welt pilgern hier wöchentlich Gläubige zur Befragung des Orakels (Devta) hin. 

Die Masken überall sind schon gänsehautmäßig.

Gebetsmühlen

Irgendwoher kamen Leute, weg von unserem Tempel.

Orakelgesicht.

Tempelhintereingang.

Der Tempelturm

Die gesamte Anlage.


Viel wichtiger für uns ist aber ein Treffen mitten im Ort. Wegen einer Schafherde müssen wir in einen Seitengang ausweichen, hier ist bereits ein sehr alter Engländer hin ausgewichen. Sehr schnell sind wir im Gespräch und sehr erstaunt als er uns erzählt, dass er mit dem Rad alleine im Himalaya unterwegs ist. Als ich ihn aber frage welchen Weg er hierher genommen hat, bin ich noch erstaunter. Denn er erzählt von einem Weg, oben in den Bergen und nicht unten durch das enge dunkle Tal, den es in meiner Karte schlichtweg nicht gibt. 

Im Dorf mal wieder Schafe.

Hier hilft die ganze Familie.

Spielzeit

Der war knapp 30 Minuten bei uns.

Teestube


Noch während wir zurück zum Hotel wandern steht für uns bereits fest, morgen suchen und fahren wir diesen Weg. Im Hotel angekommen suchen wir Narender um ihn zu unserem großen 4-Portionenmahlzeiten einzuladen, finden ihn aber leider nicht. So gehen wir alleine zum Essen und bekommen zwar einen relativ großen Teller serviert mit 2 kleinen Schüsseln aber sonst nichts. Doch nun verstehen wir unseren Fehler und warum uns der Junge so oft gefragt hat, ob das alles ist. Er hat nicht „Four person chicken“ mit seinem rollenden Indian-Style-Slang gesagt, sondern „four peaces chicken“. 

Zurück zum Hotel.

Auf kleinen Wegen, quer durch Gärten und Hotels geht es den Hang hoch.

Lecker Äpfel

Ausblicke am Wegesrand.

Moni fliegt mal wieder.

Gegenverkehr

ohne weitere Worte


Hungern müssen wir aber nicht, denn wir haben ja noch unseren Großvorrat an Schokolade dabei. Diese zusammen mit einem Bier und dem genialen Ausblick genießen wir auf unserem kleinen Balkon. Zurück im Zimmer ziehe ich die Tagesdecke zurück und oje. Der Bettlagen ist voller alten Blutflecken. Der „Zimmerservice“, ein Junge um die 12-14 Jahre, kommt und ist sehr bemüht uns ein neues Bettlaken aufzuziehen. Doch das neue Bettlaken stinkt nicht nur abartig nach irgendeiner Chemie, es ist ebenfalls voller Flecken. Wir holen kurzerhand unsere Schlafsäcke aus dem Jeep und schlafen in diesen. 

Balkonausblicke

Monis Balkonoutfit


Am nächsten Morgen haben wir ein leckeres Pancake-Frühstück und erzählen Narender von unserem Plan mit den Rädern den Weg oben in den Bergen zu nehmen, während er mit dem Jeep unten durch das Tal fährt. Er ist gar nicht einverstanden und befragt den Hotelchef nach diesem Weg. Dieser erzählt etwas von einem kleinen Weg den man unmöglich mit dem Rad fahren könnte, doch was weiß der schon…

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